Nichtigkeit wegen Bösgläubigkeit: Nachempfinden einer historischen Bildmarke nur unter strengen Voraussetzungen zulässig | Hogan Lovells
Eine historische Marke kann laut EUIPO auch dann noch einen Restschutz genießen, wenn unter ihr bereits seit langer Zeit keine (Neu-)Waren und Dienstleistungen mehr angeboten werden. Wird eine solche historische Marke dann von einem Dritten in der Absicht neu angemeldet, dem ursprünglichen Benutzer des Zeichens in unlauterer Weise Konkurrenz zu machen, so kann dies zur Annahme einer Bösgläubigkeit führen.
Hintergrund
Der Automobildesigner Erwin Leo Himmel ist Inhaber der im Jahr 2018 beim EUIPO angemeldeten, unten links dargestellten Unionsbildmarke, geschützt u.a. für Fahrzeuge und zweirädrige Motorfahrzeuge. Himmel ist Präsident der im Jahr 2010 gegründeten Hispano Suiza Automobilmanufaktur AG, mit der er die legendäre Automobilmarke Hispano Suiza wiederbeleben möchte, die im frühen 20. Jahrhundert mit dem unten rechts dargestellten Zeichen zu den renommiertesten Automobilherstellern gehörte.
Gegen diese jüngere Markeneintragung stellte das Schweizer Markenamt einen Nichtigkeitsantrag wegen Bösgläubigkeit, fehlender Unterscheidungskraft, Irreführung und Abbildung der geschützten Schweizer Flagge. Hinsichtlich der Bösgläubigkeit macht die Antragstellerin geltend, dass der Markeninhaber in einen Streit mit den Rechtsnachfolgern des historischen Unternehmens Hispano Suiza verwickelt sei. Deren ikonisches Logo sei dem Markeninhaber bekannt gewesen. Die Antragstellerin verweist ferner auf eine frühere EUIPO-Entscheidung, in der die Unionswortmarke “Hispano Suiza” ebenfalls wegen Bösgläubigkeit für nichtig erklärt wurde. Aus Sicht der Antragstellerin erfolgte die Markenanmeldung, um die Bekanntheit und den Ruf der älteren Marke auszunutzen.
Entscheidung des EUIPO (Entsch. v. 6.6.2022, C 47 448)
Das EUIPO entschied nun zu Lasten des Markeninhabers. Hinsichtlich der Bösgläubigkeit liege die Beweislast bei der Antragstellerin. Eine Bösgläubigkeit könne dann vorliegen, wenn ein Unternehmen durch die Benutzung eines Zeichens auf dem Markt ein gewisses Maß an rechtlichem Schutz erlangt hat und ein Wettbewerber dieses Zeichen anschließend in der Absicht (neu) anmeldet, dem ursprünglichen Benutzer des Zeichens in unlauterer Weise Konkurrenz zu machen. Es seien hierbei die im Rahmen der Goldhasen-Rechtsprechung des EuGH aufgestellten Kriterien zu berücksichtigen.
Diese Voraussetzungen seien hier gegeben. Die vorgebrachten Beweismittel belegten einen umfassenden Ruf der historischen Marke „Hispano Suiza“ für Kraftfahrzeuge und Flugzeugmotoren. Dem Verkehr sei in diesem Zusammenhang auch das unten rechts dargestellte Bildzeichen bekannt gewesen, das der angefochtenen Marke ähnlich sei. Trotz unterschiedlicher Stilisierung verfügten beide über die gleichen Elemente. Dass die historische Marke im Verkehr im Regelfall mit dem zusätzlichen Wortbestandteil „Hispano Suiza“ benutzt worden sei, sei hier unbeachtlich. Denn obwohl Wortbestandteilen grundsätzlich eine größere Bedeutung zukomme, komme es vorliegend wegen des auch in den Flaggen zu erkennenden Hinweises auf die geografische Angabe in besonderer Weise auf die grafischen Elemente an. Diese könnten vom Verkehr im Falle beider Zeichen gleichermaßen ebenfalls als „Hispanic-Swiss“ verstanden werden. Die angefochtene Marke könne damit auch ohne den Wortbestandteil „Hispano Suiza“ auf die historische Marke selbst und ihre Herkunft anspielen. Außerdem seien Verbraucher gewöhnt, Autos anhand von Bildelementen und Logos zu identifizieren.
Weiter seien die Absichten des Markeninhabers zum Anmeldezeitpunkt zu berücksichtigen. Der Markeninhaber habe im Zeitpunkt der Anmeldung die einstmals berühmte Marke wiederbeleben und nutzen wollen, um der neuen Marke einen sofortigen Wiedererkennungswert zu verschaffen und an ihren Erfolg anzuknüpfen. Dem Markeninhaber habe klar sein müssen, dass die Erbenfamilie mit der Benutzung der Marke durch ihn nicht einverstanden ist, da sie bereits vor der Markenanmeldung lauterkeitsrechtlich gegen die geplante Benutzung vorgegangen war. Eine legitime Absicht sei in dem Vorgehen des Markeninhabers bei der Anmeldung nach alledem nicht zu erkennen gewesen.
Auch wenn unter der historischen Marke seit langer Zeit keine (Neu-)Waren und Dienstleistungen mehr angeboten wurden, sei sie noch bekannt und genieße einen gewissen Restschutz. Die Marke sei daher wegen Bösgläubigkeit für nichtig zu erklären, da sie in der bewussten Absicht angemeldet worden sei, sich den Ruf der historischen Marke zunutze zu machen und einen unmittelbaren geschäftlichen Vorteil zu erlangen.
Auswirkungen
Die Behauptung, man habe lediglich einer einst angesehenen Marke zu neuem Leben verhelfen wollen, verfängt jedenfalls dort nicht, wo sich Rechtsnachfolger weiterhin auf einen der historischen Marke anhaftenden Restschutz berufen können. In solchen Konstellationen bedarf es des Einverständnisses der vormaligen Rechtsinhaber bzw. deren Rechtsnachfolger. Selbst wenn der Anmelder – anders als hier – keinen Anlass hat, am Einverständnis zu zweifeln, ist er gut beraten, sich im Vorfeld mit den Rechtsinhabern bzw. deren Rechtsnachfolgern abzustimmen und eine etwaige Zustimmung schriftlich einzuholen. In jedem Fall sollte der Anmelder, um sich nicht dem Vorwurf des Trittbrettfahrens und der Gefahr des absoluten Eintragungshindernisses der Bösgläubigkeit auszusetzen, nicht nur unerhebliche eigene (wirtschaftliche) Anstrengungen zur (Weiter-) Entwicklung der Marke unternehmen.
[View source.]